Vereinsenwicklung im letzten Jahrhundert

Der Verein verzeichnet in den nächsten Jahren aber einen ungeahnten Aufschwung, trotz – oder gerade – wegen der wit1schaftlichen schlechten Zeiten. Die Bevölkerung von Gustorf handelte in den 20er Jahren nach der Devise: Saure Wochen, frohe Feste, und wendet sich dem Verein zu, der durch seine Fröhlichkeit das harte Leben wenigstens teilweise vergessen lässt. Aber trotzdem fällt es eitligen Mitglieden1 schwer, den Beitrag zu zahlen.

Der Sprötz- Trupp muss dagegen hart bleiben: ,,Wer bis zum Fastnachtssonntag 13.11 Uhr den Beitrag nicht bezahlt hat, wird ausgeschlossen.” Denn die Ausgaben für die Musik waren besondern im Inflationsjahr 1923 ganz enorm: Die Kapelle Anton Aretz, die 1nit fünfMam1 zum Tanz aufspielte, erhielt pro Stunde und Person die Vergütung von 250 Mark. Als im Jahre 1924 das ärgste überstanden und die Mark wieder eine stabile Wähnmg war, einigte man sich auf einen Preis von 1 Mark (pro Stunde und Person) plus 7 % ,,Notenverschleiß”. Der Beitrag war inzwischen auch wieder auf 50 Pfg. gesunken.

Da die Mitgliederzahl 1926 auf 312 Personen anstieg, wurde das Stiftungsfest zu Fastnacht, das bisher nur im Saale Theißen stattgefunden hatte, in zwei Sälen gefeiert. Der Saal von Rademacher (später Franken) wurde dazu genomn1en. Am San1stagabend, sowie ain Fastnachtssonntag und am Rosenmontag wurde zum Tanz aufgespielt. Von 16 bis 20 Uhr war dabei n1eistens ein Freiball; bei den Tänzen wurde jedoch von jedem Paar ein Tanzgroschen kassiert. Dieser Obolus musste auch von den Mitgliedern gezahlt werden, die im Übrigen am Abend (Eintritt 1 Mark) bei Vorzeigen ihrer Mitgliedskarte freien Zutritt hatten. Am Montagabend wurde dann ein Maskenball veranstaltet, wobei je zwei Herren- und Damenpreise pro Saal ausgeschrieben waren. Später differenzierte der Vorstand sein Preisangebot, als man die Gewinne für besonders originelle und schöne Kostüme vergab.

Die Preise bestanden aus Lebensmitteln, Likören und Kleidungsstücken und waren meist von Geschäftsleuten und Bauern gestiftet. Leider kam es dabei auch zu Unkorrektheiten: Ein Vorstandsmitglied wurde, weil es gestiftetes Hühnerfutter für sein Federvieh verwendet hatte, dazu verurteilt, zehn Eier an eine bedürftige Familie zu liefern.

Jährliche Höhepunkte im Vereinsleben stellten die bei dem Familienfest dar, die etwa am 11. Novernber und Ende Januar stattfanden. Während das Fest im Novernber mehr für ältere Mitglieder abgestimmt war, gab es im Januar lediglich einen Tanzabend. Für närrische Auftritte verpflichtete man entweder einen Humoristen, z. B. Josef Göllner aus Wevelinghoven, oder Mitglieder produzierten sich als Büttenredner. Später gründete man unter der Leihmg von Jakob Bischof eine Gruppe, die diese karnevallistischen Vortäge vorbereiteten. Jedes teilnehmende Mitglied hatte die Pflicht, an der Kasse eine Papiermütze und einen Liederzettel für je 10 Pfg. zu kaufen. Bei diesen Veranstaltungen waren die Mitglieder unter sich, hier konnte man ungezwungen fröhlich sein, ohne auf ungebetene Gäste zwecks Wahrung von Sitte und Ordnung achten zu müssen. Denn darauf legte der Sprötz- Trupp stets allergrößten Wert.

Das Jahr 1928 brachte dem Verein wieder einige einschneidende Änderungen. Die vor dem Ersten Weltkrieg ausgeübte Tradition des Roseruuontagszuges wurde wieder aufgenormnen. Man versuchte sogar, jedes Mitglied zur Teilnahme zu verpflichten. Für jeden gebauten Karnevalswagen wurden vom Vorstand 5 Mark als Zuschuss ausgegeben.

Das Mitglied Josef Thomas, einstimmig vom Vorstand gewählt, war erster Prinz Karneval in der Geschichte des Sprötz- Trupps. Als Aufwandsentschädigung wurden ihm 40 Mark zugesprochen. Zum Ausklang des Stiftungsfestes fühtte inan das Heringsessen mit Bierzech am Aschermittwoch ein. Die Vereinswirte Theißen und Rademacher stifteten abwechselnd eine Tonne eingemachte Heringe, und der Verein steue1te 100 Liter Bier bei. Es soll sogar den Heringsorden fiir den vergeben worden sein, der die meisten Heringe verzehrte. Das Maximum soll damals bei 18 Heringen gelegen haben.

In der VersaID1nlung vom 11. März 1928 kam es auch zu einem Wechsel in der Vereinsfüht·ung: Vorsitzender Hermann Mertens, dessen Goldene Hochzeit kurz vorher vom Sprötz- Trupp durch einen Fackelzug festlich begangen worden war, wurde nach 44jähriger Präsidentschaft zum Ehrenpräsidenten gewählt. Damit trat ein Mann ab, der den Sprötz- Trupp entscheidend geprägt hatte. Aber noch bis zu seinem Tode im Jaht·e 1932 nah1n er am Vereinsgeschehen lebhaft Anteil.

Neuer Präsident wurde Wilhehn Hüls, der zunächst um Bedenkzeit bis zur nächsten Versammlung bat, dann aber seine Bereitschaft erklärte, für drei Jahre den Verein zu führen. Weiterhin ün Vorstand verblieben Josef Baust als Kassierer und Adolf Eckstein als Schriftführer. Seine exakte schulmäßige Schrift ist für Jahrzehnte in den Protokollbüchern zu verfolgen.

Doch schon wieder ziehen dunkle Wolken herauf: Die Weltwirtschaftskrise mit vielen Arbeitslosen bedeuten im Jahre 1930 für den Verein eine erneute Belastungsprobe. Der Rosenmontagszug fällt wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage aus. Arbeitslosen und ausgesteue1ten Mitgliedern wird der Beitrag gestundet. Das jährliche Aufhängen des Vereinssymbols – der Sprötz – ün Vereinslokal wird Arbeitslosen übertragen, die dadurch ihren Beitrag abgearbeitet haben. Die öffentliche Ankündigung des Feste, die bisher durch Veröffentlichung in der Neuss – Grevenbroicher Zeitung und durch Plakataushang erfolgte, wird nun aus Sparsatnkeitsgründen der Mund-zu-Mund-Propaganda übe1tragen.

Dennoch plant man hoffuungsvoll für die Zukunft und beschließt, in jedem Jaht· 50 Mark für die SO-Jahr-Feier im Jahr 1934 zurückzulegen. Der als Nachfolger von Wilhelm Hüls 1931 gewählte neue Präsident Christian Olligs, der sich 1nehrfach wegen mangelnden Interesses an Mitgliederversarnmlungen beklagte (von 400 Mitgliedern erschienen nur 23) erlebte dieses Jubiläu1n nicht 1neht·, da er 1934 plötzlich verstirbt. Sein Nachfolger Josef Schlangen übernünmt die Vereinsführung in einer sch\vierigen Zeit. Seit 1933 haben die Nationalsozialisten alle Macht im Staat üben1ommen und die örtliche Parteiführung rnischt sich massiv in die Vereinsarbeit ein. Alle VersaIDlUlungen beginnen und schließen mit dem „deutschen Gruß: Heil Hitler”. Sicher aus diesen1 Grund kommt es deshalb schon 1936 zum en1euten Wechsel in der Vereinsführung.

Wilhelm Hüls wird zum zweiten Mal Präsident und vermag es, 111.it seiner starken Persönlichkeit das Vereinsschiff sicher durch alle Klippen zu bringen. In seine Amtszeit, die bis 1953 daue1t, fällt nicht nur die Ära der Nazis, sondern auch die Kriegs- und Nachkriegszeit. Dass der Verein dennoch alle Gefahren überstand, ist sicher sein Verdienst. Seine Flexibilität bringt es fertig, einerseits den Paiteiapparat nicht unnötig zu reizen, andererseits das Notwendige fiir den Verein zu tun.